Zuerst lesen Sie hier einen fachlichen Impuls von Wolfgang Binder. Im Anschluss ein Interview zum Thema mit Wilfried Rappold.
#Impuls zum Thema
Mag. Wolfgang Binder hat Psychologie studiert. Er ist Klinischer- und Gesund-heitspsychologe, Psychotherapeut (Verhaltenstherapie), NVR-Trainer und Trainer bei EINS22. Er hat über 20 Jahre praktische Berufserfahrung im psychologischen Feld – 10 Jahre davon als Führungskraft.
Seit 2014 ist er Inhaber des Therapiezentrum Söding.
2022 hat er Inaps – ein Netzwerk für Psychologie & Wirtschaft gegründet.
Von Wertschätzung zu Höchstleistung
Haben Sie sich jemals gefragt, wie Sie als Führungskraft die Produktivität Ihres Teams steigern und gleichzeitig das Wohlbefinden Ihrer Mitarbeiter fördern können? In diesem Artikel werden wir das Zauberwort "Positive Resonanz" genauer unter die Lupe nehmen und ihren Einfluss in der Arbeitswelt erkunden.
Resonanz
Positive Resonanz in der Führung bezieht sich auf die Wertschätzung, das gezielte Feedback sowie Lob und Anerkennung, das Führungskräfte ihren Mitarbeiter:innen gegenüber aufbringen. Diese simple, aber äußerst effektive Praxis sichert ein motiviertes und harmonisches Team und zufriedene Mitarbeiter – ein Thema, das in der heutigen Arbeitswelt von großer Bedeutung ist. Wer das Prinzip der Positiven Resonanz kennt und in seinem Arbeitsumfeld implementiert, kann langfristig für sich und sein Team unzählige Vorteile daraus ziehen.
Der Begriff "Resonanz" stammt ursprünglich aus den Bereichen der Physik und der Musik und bedeutet das Mitschwingen oder -tönen eines Körpers in der Schwingung eines anderen Körpers. Aber was genau hat Resonanz nun mit zufriedenen Mitarbeitenden zu tun?
Beginnen wir ganz von vorne: Im Jahre 1991 entdeckten Forscher bei ihrer Untersuchung des motorischen Kortex von Affen zufällig, dass bestimmte Nervenzellen nicht nur feuerten, wenn der Makak nach seiner Belohnung griff, sondern auch bei der bloßen Beobachtung der Versuchsleiter, die in die Belohnungsdose griffen. Diese sogenannten kanonischen Neurone sind motorische Neurone, die offensichtlich Spiegeleigenschaften besitzen. Das heißt, sie feuern sowohl beim Ausführen einer Handlung als auch bei der Beobachtung derselben Bewegung bei jemand anderem. Diese Entdeckung war eine Sensation und revolutionierte die Hirnforschung.
Im Jahre 2010 konnten diese Spiegelneurone auch im menschlichen Gehirn festgestellt werden, und wenig später fand man heraus, dass auch Teile des Kleinhirns und emotions-verarbeitende Regionen an dieser "Spiegelung" beteiligt sind. Damit kommen wir der Verbindung zur Arbeitswelt immer näher.
Gefühle
Mittlerweile wurde zwar schon einiges, was den Spiegelneuronen zuge-schrieben wurde, widerlegt, dennoch konnten wichtige Eigenschaften empirisch bewiesen werden: Zunächst sind Spiegelneurone dafür verant-wortlich, dass wir Bewegungen er-kennen und nachahmen können. Aber noch viel spannender ist, dass wir dank unseren Spiegelneuronen in der Lage sind, die dahinterliegenden Absichten unseres Gegenübers zu verstehen und zu erahnen, was in anderen Köpfen vor sich geht. Und das Spannendste, was uns nun auch zurück zum eigentlichen Thema führt: Es gibt Nervenzellen, die beim Beobachten wie beim Erleben desselben Gefühls aktiv sind! Es handelt sich dabei zwar um einen Nervenzellverband, der tatsächlich nicht in den klassischen Spiegel-regionen liegt, dennoch ist die Entdeckung, dass sich Gefühls-zustände angleichen können, ein riesiger Schritt für die Forschung (Anton Benz, Spektrum.de).
Beobachtung von Emotionen
Nun zurück zum eigentlichen Thema: Die bloße Beobachtung einer Emotion reicht also aus für ein Aktivitätsmuster in unserem Gehirn (HelloBrain). Unser Körper geht also in Resonanz zu dem, was ein anderer menschlicher Körper uns zusendet. Die Neurone empfangen Emotionen wie Schmerz, Trauer, Freude und senden eine Art Imitationsimpuls. So passiert es, dass wir mit schmerzverzerrtem Gesicht zusam-menzucken, wenn sich jemand mit einer Nadel in den Finger sticht, und unsere Schmerzzellen werden ebenfalls aktiv, auch wenn wir die Verletzung nur beobachten.
Der Mensch ist ein soziales Wesen, und wir können nicht anders als mit-zufühlen. Wir fühlen mit, wenn jemand traurig ist oder schlechte Laune hat, aber natürlich auch, wenn unser Gegenüber positiv gestimmt ist, vor Freude strahlt und lächelt. Das macht die Resonanz auch so wichtig für unseren Alltag. Nicht nur Lehrerinnen, Therapeutinnen, Medizinerinnen und Co können die Kenntnisse der positiven Resonanz für sich nutzen. Auch in der Arbeitswelt, in Betrieben, in Industrien und überall, wo Teams geführt werden müssen, können Teamleiterinnen und Führungskräfte diese Erkenntnisse anwenden.
Auch der Neurowissenschaftler, Arzt und Psychotherapeut Dr. Joachim Bauer – eine Koryphäe im Gebiet dieser Forschung – erläutert im Interview mit Dr. Gunther Schmidt im Jahr 2016 die Auswirkung von positiver Resonanz in der Arbeitswelt. Ein:e Vorgesetzte:r, der seinen Mitarbeiter:innen andauernd zu verstehen gibt, dass egal was sie tun, es nicht genug sei oder dass er/sie sich mehr vom Team erwartet hätte, ruiniert auf lange Sicht das Personal! Die schlechte Stimmung überträgt sich auf das Team und prägt sich dort tief ein. Dieses Resonanzerleben wirkt wie eine selbsterfüllende Prophezeiung, und Mitarbeiterinnen trauen sich weniger, sind demotiviert und entmutigt.
Motivierte Mitarbeitende
Führungskräfte hingegen, die über die Wirkungsweise der positiven Resonanz Bescheid wissen und diese für sich nutzen, können ganz leicht das Wohlbefinden ihrer Mitarbeiterinnen steigern. Wohlwollendes Interesse und Wertschätzung der Arbeit der Mitarbeiter:innen gegenüber, guter sozialer Kontakt und ein respektvolles Miteinander steigern das Wohlbefinden enorm. Dabei muss man als Chefin nicht immer alles gut finden und ständig nur Lob aussprechen. Nein, es geht schlichtweg darum, sich die Ideen oder Herangehensweisen jeder Person anzuhören! "Das ist ja eine interessante Herangehensweise, haben Sie damit schon gute Erfahrungen gemacht?" Dieses bloße Gefühl des "gesehen werdens" aktiviert laut Bauer in unserem Gehirn sämtliche Motivations-systeme – also neuronale Systeme, die Kraftbotenstoffe wie Dopamin, Endogene, Opioide und Oxytocin erzeugen. Das alles wiederum erhöht unsere Schaffenskraft, und unsere Anstrengungsbereitschaft wird in Gang gesetzt. Die logische Folge daraus sind motiviertere Mitarbeiterinnen!
Produktivitätssteigerung durch Wohlbefinden
Glückliche Mitarbeiterinnen sind wiederum ein großer Gewinn für das Unternehmen! Verschiedenste Studien konnten bereits belegen, dass Wohlbefinden die Produktivität steigern kann und zu einer erhöhten Arbeitsleistung führt. Zufriedene Mitarbeiter:innen sind unter anderem pragmatischer, kooperativer, engagierter, hilfsbereiter und freundlicher. Des Weiteren werden weniger Krankentage benötigt, die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen verläuft harmonischer, und natürlich verbleiben glückliche Arbeiter:innen auch eher in ihrem Job. Das alles wirkt sich zudem auf die Zufriedenheit der Kund:innen und den Erfolg des Unternehmens aus.
Der britische Ökonom Andrew Oswald und Kollegen konnten dies zum Beispiel mittels Laborexperiment empirisch belegen. Teilnehmer:innen, die zuvor in glückliche Stimmung versetzt wurden, waren in der Arbeitsphase ganze 12% produktiver als jene, die anfangs in traurige Stimmung versetzt wurden. Es wurde schneller gearbeitet, bei gleich hoher Qualität. Auch der luxenburgische Ökonom Charles Henri DiMaria et al. zeigte in seiner gesamtwirtschaftlichen Untersuchung den eindeutigen positiven Zusammenhang zwischen Wohlbefinden und Produktivität. Pro Einheit an Lebenszufriedenheit stieg die Effizienz der Personen um ca. 3,5 bis 4%! (Institut der deutschen Wirtschaft)
Gute Stimmung verbreiten
Was lernen wir aus den Ergebnissen dieser Forschung?
Positive Resonanz fördert das Wohlbefinden der Mitarbeiterinnen, was wiederum ihre Produktivität steigert. Das nächste Mal, wenn wir zur Arbeit gehen, verbreiten wir einfach mal ein wenig gute Laune. Ein Lächeln gegenüber denm Mitarbeiterinnen, Dankbarkeit und Respekt und eine wertschätzende Haltung ihrer Arbeit gegenüber kann schon so viel bewirken. Vielleicht zeigen wir auch mal Interesse an den Ideen anderer – wer wird denn nicht gerne einfach gehört? 😉
Literaturhinweise:
• https://www.hellobrain.eu/de/research/researcher?id=prof-vittorio-gallese-entdecker-der-spiegelneuronen#:~:text=Professor%20Vittorio%20Gallese%20ist%20Neurophysiologe,bei%20einem%20anderen%20Tier%20beobachtet
• „Resonanz“ auf Duden online. URL: https://www.duden.de/node/121218/revision/1272905, Abrufdatum: 21.09.2023
• https://studyflix.de/biologie/spiegelneuronen-5525
• Wohlbefinden steigert die Produktivität, 1.Okt.2014, Institut der deutschen Wirtschaft
• https://www.spektrum.de/news/was-steckt-wirklich-hinter-den-spiegelneuronen/1991029, 22.09.2023 12:02, Anton Benz (Verfasst 04.03.2022)
#Interview zum Thema
Mag. Wilfried Rappold hat Wirtschaftspädagogik studiert.
Er hat mehr als 20 Jahre Führungserfahrung im Topmanagement, ist systemischer Coach, Hypnosystemischer Coach, TAB-Business Partner, Trainer und Prozessbegleiter.
EINS22: In dieser Ausgabe der EINS22:Impulse geht es um Positive Resonanz in der Führung.
Damit ich solche positiven „Vibes“ als Mensch – als Führungskraft erzeugen kann, bedarf es ja einer eigenen inneren Verlässlichkeit.
Wie kann ich zu einer solchen Inneren Stärke kommen?
Wilfried Rappold:
Ja, aus meiner Erfahrung ist es sehr wichtig und hilfreich, mit den Mitarbeiter:innen und Kolleg:innen über eine positive Resonanz verbunden zu sein, um so in einen „positiven Flow“ zu kommen, also in ein Klima, in dem gute Leistungen gelingen und ein Klima der gegenseitigen Wertschätzung herrscht.
Eine Möglichkeit, diesen „Flow“ zu erlangen ist die HerzHirn Methode. Mit diesem Tool gelingt es mit, meine Potenziale, wie Kreativität, Empathie oder Aktivierung auch in herausfordernden Situationen abzurufen. Es geht nicht darum, eine schwierige Situation einfach „schönzufärben“ oder durch die rosa Brille zu sehen, sondern sich darauf zu besinnen, dass man Stärken hat, die in einer herausfordernden Situation durch negative Emotionen, wie Stress oder Ärger gerade nicht verfügbar sind.
EINS22: Was genau versteckt sich hinter der HerzHirn Methode?
Wilfried Rappold:
Die HerzHirn Methode beruht auf dem Konzept der Positive Intelligence ® von Shirzad Chamine. Es geht in diesem Konzept einerseits um das Wissen rund um neuronale Prozesse bei negativen Emotionen und wie wir uns aus einer negativen Gedankenspirale lösen können. Andererseits geht es darum, dieses Wissen dann auch in die Praxis umzusetzen. Dazu ist es notwendig, mit kleinen, alltagstauglichen Übungen unsere Gewohnheiten so neu zu bahnen, dass Verstand und Intuition (oder eben auch Herz und Hirn) besser miteinander verbunden sind.
EINS22: Ein weiterer wichtiger Aspekt einer gelingenden Zusammenarbeit ist Wertschätzung. Noch genauer gesagt: Wertschätzung als Haltung und nicht als punktuelles Lob.
Wie kommt man zu einer wertschätzenden Grundhaltung?
Wilfried Rappold:
Aus meiner Sicht ist der ersten Schritt, einen wertschätzenden Umgang mit sich selbst zu pflegen, dh auch gegenüber sich selbst wohlwollend zu sein. Sehr oft verurteilen wir uns selbst, was wir denn alles nicht können oder vergessen usw. Dies schafft die Basis, auch meinem Gegenüber mit Empathie und Respekt begegnen zu können. Ein guter ersten Schritt ist dabei, das „empathische Zuhören“ zu üben. Damit meine ich – beim Dialog mit dem Gegenüber nicht sofort mit eigenen Kommentaren und Erfahrungen zur Stelle zu sein, sondern aufmerksam zuhören und sich in das Gegenüber hineinzuversetzen. Damit erkenne ich sehr viel besser, was dieser Mensch gerade braucht und kann einen wertschätzenden Dialog führen.
EINS22:Impulse zum Thema "Positive Resonanz in der Führung" zum Download
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