Organisationen verstehen

Karoline Weiß

#Interview zum Thema

Mag.a Karoline Weiß, MBA ist Systemische Psychotherapeutin, Erziehungswissenschafterin, Sozialmanagerin und Trainerin bei EINS22.

EINS22: Warum ist es notwendig, die Organisation, in der man tätig ist, mit ihren Strukturen und Phänomenen zu verstehen?
Karoline Weiß: Verstehen ist immer eine Vorbereitung aufs Handeln. Handlungsfähigkeit finde ich als ein zentrales Kriterium für Selbstwirksamkeit. Ganz wichtig ist, dass Verstehen ein aktives Tun ist und immer wieder hergestellt werden muss.

EINS22: Aus deiner Erfahrung: Welche Erkenntnisse oder Aha-Erlebnisse haben Menschen, wenn Sie sich mit dem Funktionieren von Organisationen beschäftigen?
Karoline Weiß: Ein großartiges Aha-Erlebnis ist die Erkenntnis, dass Verstehen von Organisationen bei einem selbst beginnt und das bringt schon mal einen super Spielraum mit sich.

EINS22: Welche drei Hinweise würdest du einer Führungskraft geben, damit sie ihre Organisation „besser durchschaut“?
Karoline Weiß:
1.    Stelle Fragen – höre zu.
2.    Versteh nicht zu vorschnell – stehe manchmal bewusst auf der Leitung.
3.    Überprüfe, ob du richtig verstanden hast – Frage nach.

 

#Theoretischer Impuls zum Thema

Organisationen verstehen – 
Ein systemischer Erklärungsversuch über den Gebrauch von Kommunikation

In meiner Arbeit mit Teams begegne ich immer wieder einem Phänomen: Chaos im Informationsfluss! 
Und daraus folgt meistens ein ähnliches Anliegen: der Wunsch nach Orientierung. Ich nenne es auch gerne Standortbestimmung. Denn schon alte Weisheiten lehren uns, wenn wir nicht wissen, wo wir stehen, werden wir den nicht Weg finden. Und aus solchen Situationen resultieren dann verschiedenste Zielkonflikte oder es entstehen paradoxe Handlungen, die kaum nachvollziehbar sind. Innerhalb dieses Geflechts ist es für Teams eine immense Herausforderung, sinnstiftend zu handeln und wirksam zu werden. 

Der kurze Einblick in (mein) Systemisches Verständnis zur Kommunikation beschäftigt sich mit dem: 
WARUM es manchmal so schwierig erscheint, sich „richtig“ zu Verstehen.  

Kommunikation ist bei Luhmann kein Bestandteil oder psychischer Prozesse, sondern entsteht im sozialen autopoietischen System, das in einem rekursiven Prozess fortlaufend Kommunikation an Kommunikation anschließt. „[...] Menschen können nicht kommunizieren, nicht einmal ihre Gehirne können kommunizieren, nicht einmal das Bewusstsein kann kommunizieren. Nur die Kommunikation kann kommunizieren" (Luhmann 1995, S. 37). Kommunikation kommt zustande durch eine Synthese von drei verschiedenen Selektionen - die Selektion einer Information, die Selektion der Mitteilung dieser Information und das selektive Verstehen oder Missverstehen dieser Mitteilung und ihrer Information (vgl. Luhmann 1995, S. 115).

Grafik Luhmann

Abbildung: Der Prozess der (Ex)Kommunikation, aus Retzer, 2002

Der Kommunikationstheoretiker Stuart Hall (1932-2014), definierte Verstehen als eine Handlung, d.h. wir Verstehen ein und dieselbe Botschaft anders, je nachdem welcher sozialen Schicht wir angehören, welchen Wissenstand oder Haltung wir haben. Das Empfangen einer Botschaft ist also keine passive Aktion, sondern eine produktive Auseinandersetzung mit der Botschaft. Der Absender codiert die Nachricht mit einer bestimmten Absicht und der Empfänger decodiert die Nachricht, um sie zu verstehen. Dass heißt: die Botschaft ist nicht nur das, was gesagt wird. Sie ändert sich je nachdem, wie sie verstanden wird.

Übertragen zur Ausgangssituation in Teams bedeutet dies, nur durch Übung im Verstehen miteinander, die gegenseitige Erlaubnis und Einladung zur Überprüfung: habe ich dich richtig verstanden und der Grundsatz des Verstehens: der eine will verstehen, der andere will verstanden werden, kann Kommunikation ein gelungener Moment im Miteinander werden.

Verstehen ist immer unterwegs, vorläufig, da auch der Gebrauch der Worte in einem Sprachspiel niemals festgestellt werden kann. Die Kommunikation über den Gebrauch ist ein Teil des Gebrauchs
- Arnold Retzer

Weiterführende Literatur:
Berghaus, M. (2011): Luhmann leicht gemacht. Eine Einführung in die Systemtheorie. 3. Auflage. Böhlau: UTB Verlag. 
Retzer, A. (2002): Passagen. Systemische Erkundungen. Stuttgart: Klett-Clotta

 

EINS22:Impulse zum Thema "Organisationen verstehen" zum Download.

 

 

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